Casablanca

Geschrieben am 8. Oktober 2011 von

Großstädte haben es in sich, das haben wir in Lissabon ja schon festgestellt, aber Casablanca war eine ganz andere Nummer. Die Bahnfahrt mit der OSZN war angenehm und günstig. Moderne Doppelstockwagen, nicht zu voll und eine angemessene Geschwindigkeit auf der elektrifizierten Strecke nach Casablance, welches scheinbar hier zu Lande nur Casa genannt wird. Der Bahnhof in Mohammedia ist ein Tempel aus Glas und Mamor…supermodern. Vor betreten des Bahnsteigs wurden unsere Fahrkarten geknippst und wir wurden eingewiesen auf welches Gleis wir gehen sollten. Auf der Strecke sah man dann das industrielle Marokko. Überall, aber wirklich überall, liegt Plastikmüll. Ab und zu große Müllhalden abgelöst von verdürrten Feldern, was aber an der Jahreszeit liegen kann. Zahlreiche echte Slums mit kleinen Wellblechhütten und unglaublich verdreckt zogen an uns vorbei. Außerdem viele Industrieanlagen (Casa ist das industrielle Herz Marokkos), die unaufhörlich schwarzen Rauch in die Luft pusten. Der Hauptbahnhof von Casa, Casa Port, war dann nicht mehr so modern, aber es wird gerade ein ähnlicher Tempel wie in Mohammedia gebaut. Kommt man aus dem Bahnhof heraus gibt es ein unglaubliches Gewusel von Menschen und Autos in einer Stadt aus großen Hochhäusern. Die Straßen 6 oder 8 spurig ohne Fußgängerampeln nur mit Zebrastreifen, die aber alles andere als akzeptiert wurden. Wir schlossen uns beim Überqueren immer Gruppen von Marokkanern an, die das Gleiche taten und sich anscheinend auskannten. Nicht fern vom Bahnhof lag die Medina. Medinas sind die von der Stadtmauer eingerahmten Altstädte. Dahin führte uns unser erster Weg. Wahrscheinlich wird der Pauschaltourist davor gewahnt in diesen Stadtbereich zu gehen, überlegten wir uns nach betreten. Anna sagte nur, ich solle die Tasche gut festhalten und sie zwischen uns hängen. Sie ging dann immer einen halben Schritt hinter mir um die Tasche noch besser sichern zu können. Wenn ein Fahrrad oder Mofa hinter uns war, blickten wir immer kurz zurück und hielten die Tasche noch besser fest…Stress pur. Nach einer halben Stunde war ich so fertig, dass ich sagte, ich muss hier jetzt mal raus und mich in ein gesichertes Cafe setzen, um mich zu entspannen und auszuruhen. Das taten wir dann auch. Dazu mussten wir wieder eine Großstrasse überqueren. Für diese Überquerung stand auch eine Unterführung (ähnlich der am Brill) zur Verfügung. Ein Blick hinein und ich musste fast kotzen (ich bin eigentlich nicht empfindlich). Es roch, nein stank unglaublich nach Urin, die Unterführung sah so aus wie die Müllhalden, die wir vom Zug aus gesehen haben. Wir überquerten dann wie alle überirdisch die Strasse. Nach einer Verschnaufpause gingen wir erneut in die Medina, weil es zwar  gefühlt unsicher, aber total faszinierind ist. Mindestens 1000 kleine Läden die Stoffe, Gewürze, Handwerkskunst, traditionelle und westliche Kleidung und einfach alles anbieten. Ein Meer von Farben und Eindrücken. Beim zweiten Besuch kam ich an meine Grenzen. Neben dem Taschenstress und den typischen Versuchten der Ladenbesitzer uns in ihre Läden zu locken, war es viel schlimmer wenn man stehen blieb. Dann wurde man von echt arm und zerlumpt aussehenden Frauen angebettelt, oder es wurde von diesen versucht eine Packung Tempotaschentücher zu verkaufen. Mich bettelte dann ein kleiner Junge an, der nicht mehr locker ließ und uns mehrere Minuten folgte. Ein anderer Junge wollte uns eine Mentospackung verkaufen. Nach kurzer Zeit musste ich wieder verschnaufen…also raus. Ich sagte zu Anna wir müssen jetzt mal in die Einkaufsstrasse und in irgendein Geschäft, wo man einfach nur stehen kann und sich Sachen anschauen kann. Es gab dann tatsächlich auch noch im modernen Stadtteil so etwas wie eine Fußgängerzone mit „Luxusartikelläden“. Dort aßen wir noch ein Eis und beschlossen nach 3 Stunden Casa zu verlassen und wieder zurück nach Mohammedia zu fahren. Dort angekommen hätte ich den Boden küssen können. In diesem Ort fühlte ich mich auf einmal sicher. Ich hatte sogar den Eindruck es wäre  ein reicher Vorort oder so was. Wir gingen noch kurz einkaufen in einem Supermarkt und fuhren mit dem Taxi zurück. Am Hafenkontrollpunkt wurden wir heute Abend nicht konrolliert, weil der Beamte gerade betete und ein zweiter Beamte in zivil einfach nur das Tor öffnete.

Ich hoffe, das Casa die schlimmste Stadt sein wird die wir hier zu Gesicht bekommen. Nach diesem Erlebnis bin ich froh in Europa leben zu dürfen. Die nächste Orte die wir besuchen werden sollen alle klein und schön sein. Morgen geht’s per Boot nach Al Jadida einer alten portigisischen Festungsstadt, dann nach Safi, anschließend nach Essiouara, einem beliebten Badeort mit den angeblich schönsten Stränden Marokkos und schließlich nach Agadir.

Müllkippe vom Zug aus aufgenommen

Müllkippe vom Zug aus aufgenommen

Anna vor der Medina in Casa

Anna vor der Medina in Casa

Vom Hauptbahnhof in Richtung "moderne" Stadt

Vom Hauptbahnhof in Richtung "moderne" Stadt

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